Ziel muss sein, sowohl für die Nutzenden als auch für die Bearbeitenden Vorteile zu schaffen
Interview 26.02.2020
In der Rubrik „Stimmen aus der Praxis“ gibt Franziska Schirmer einen Einblick in die Digitalisierung beim Auswärtigen Amt.
Auswärtiges Amt
Frau Schirmer, an welchen OZG-Themen arbeiten Sie gerade konkret?
Unsere zwei großen Themen sind die online-gestützte Visum-Beantragung - vor allem vor dem Hintergrund des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes - und die digitale Beantragung von Pässen und Personalausweisen für Auslandsdeutsche. Das sind die zwei Bereiche, bei denen wir uns von der Digitalisierung den meisten Effizienzgewinn versprechen.
Was sind die Herausforderungen, denen Sie bei der OZG-Umsetzung in Ihrem Bereich begegnen?
Wir haben verschiedene Herausforderungen, zum Beispiel, dass unsere Zielgruppe sehr heterogen ist. Wir haben Antragstellende aus der ganzen Welt, die auch unterschiedliche Standards in Sachen Digitalisierung gewöhnt sind. Außerdem Schwierigkeiten im Urkundenverkehr: Wenn Unterlagen digital hochgeladen werden, ist eine Echtheitsüberprüfung schwieriger möglich. Wir haben es mit unterschiedlichen Sprachfassungen zu tun, weil unsere Nutzerinnen und Nutzer nicht nur ausschließlich Deutsch sprechen. Und wir haben - anders als im Inland - Herausforderungen mit Nutzerkonten, weil im Ausland natürlich nicht jeder über eine eID verfügt. Außerdem haben wir auch die Herausforderung, dass wir besonders im Visumverfahren mit sehr vielen Inlandsbehörden kommunizieren, also andere Behörden einbinden müssen: Bundesagentur für Arbeit, Bundesverwaltungsamt etc., und dass wir natürlich über entsprechende Schnittstellen verfügen müssen.
Was ist denn der Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer - aber auch für Sie - wenn alles umgesetzt ist?
Wir versprechen uns davon natürlich erstmal effizientere und schlankere Prozesse. Wir arbeiten immer noch sehr papierbasiert. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist klar, dass wir mit digitalen Abläufen effizienter werden. Das Zweite ist natürlich bei uns im Auswärtigen Amt auch immer das Bild Deutschlands nach außen. Es macht keinen guten Eindruck, wenn in einem Gastland alles Mögliche digital zu beantragen ist, aber wenn man etwas von der Deutschen Botschaft möchte, muss man sich immer noch mit einem Papierantrag herumschlagen. Es ist also auch eine Frage des Images, das wir im Ausland verkörpern. Und letztendlich versprechen wir uns auch eine effektivere Steuerung der Personalressourcen. Man kann eben auch flexibler reagieren, wenn Anträge elektronisch eingereicht werden.
Wie ist Ihr momentaner Projektstand? Ist die Ziellinie schon in Sicht?
Wenn man es daran misst "Wann kann ich meinen Visumantrag komplett online stellen und erhalte mein Visum online?", ist die Ziellinie zugegebenermaßen noch nicht in greifbarer Nähe, unter anderem auch durch rechtliche Hürden. So haben wir im Visumverfahren nach wie vor das Erfordernis der Biometrie. Sprich: Wir müssen von den Antragstellenden Fingerabdrücke nehmen. Wir haben auch Visaetiketten, die in den Pass eingeklebt werden. Insofern wird man den Gang zur Auslandsvertretung nicht komplett abschaffen können. Und es gibt den Pass selbst, bei dem sich eine persönliche Vorsprache zur Identitätskontrolle auch zukünftig nicht vermeiden lassen wird.
Aber wenn ich vergleiche, wo wir letztes Jahr standen und wo wir heute stehen, dann ist im Hintergrund bereits sehr, sehr viel gelaufen. Ich würde sagen, wir sind im Zeitplan - aber noch nicht am Ende.
Was ist Ihre wichtigste Erfahrung für künftige Projekte?
Kommunikation ist extrem wichtig! Man muss immer schauen, dass man alle Beteiligten frühzeitig informiert und mitnimmt. Das gilt vor allem auch für die späteren Anwenderinnern und Anwender. Wir haben knapp 200 Auslandsvertretungen, die später mit diesen online eingereichten Anträgen umgehen müssen. Die kann man nur sehr schwer in unsere Prozesse einbinden. Aber wenn sie am Ende eine Verwaltung haben wollen, die so einen Prozess auch akzeptiert und mitmacht, dann müssen sie die Leute frühzeitig mitnehmen. Ich würde sagen, das ist das Wichtigste, was wir als Lernprozess festgestellt haben.
Ist das auch etwas, das Sie anderen OZG-Beteiligten in anderen Institutionen mitgeben würden?
Ja, unbedingt. Ich glaube, es ist ganz, ganz entscheidend. Wir stellen zwar die Nutzerinnen und Nutzer in den Vordergrund - das ist auch vollkommen richtig - aber wenn die Digitalisierung zu Mehrarbeit bei der Verwaltung führt, wird es von der Verwaltungsseite nicht akzeptiert. Das Ziel muss sein, sowohl für die Nutzenden als auch für die Bearbeitenden am anderen Ende Vorteile zu schaffen. Damit wir am Ende kein System haben, das zwar die Nutzerinnen und Nutzer ganz toll finden, das aber auf der Verwaltungsseite nicht mehr gemanagt werden kann.