E-Government in Europa: Deutschland auf dem Weg zum Erfolgsmodell?
Namensartikel 22.10.2020
Prof. Dr. Irene Bertschek vom ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung über die Potenziale von Open Data und digitalen Kompetenzen für die Verwaltungsdigitalisierung.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat in ihrem Gutachten 2017 empfohlen, dass "Deutschland im E-Government bis 2025 zum anerkannten Erfolgsmodell für digitale Regierung und Administration in Europa“ werden sollte. Prof. Dr. Irene Bertschek ist Mitglied der Expertenkommission und spricht im Gastbeitrag darüber, wo die deutschen Bemühungen heute stehen.
Mit dem Onlinezugangsgesetz hat Deutschland der digitalen Verwaltung einen gesetzlichen Rahmen gegeben, vor allen Dingen aber das Ziel mit einem konkreten Datum versehen: Bis Ende 2022 sollen alle öffentlichen Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar sein, und zwar auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Dies ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben, insbesondere weil zahlreiche Akteure über Bundesland- und kommunale Grenzen hinweg miteinander kooperieren müssen. Aber die Mühe wird sich lohnen, und zwar in mehrerlei Hinsicht.
Effizientere Prozesse für Anbieter und Nutzer aus Wirtschaft und Gesellschaft
Mit dem Einsatz digitaler Lösungen werden Prozesse effizienter, nicht nur für die Anbieter, sondern auch für die Nutzer dieser Dienste in Wirtschaft und Gesellschaft. Zum Beispiel werden Antragstellerinnen und Antragsteller entlastet, wenn sie Vorgänge online erledigen und einheitliche oder sogar vorausgefüllte Formulare nutzen können, und wenn Verwaltungsangestellte in der Lage sind diese ebenfalls online zu bearbeiten – in Situationen wie einem Lockdown ein enormer Vorteil. Jedoch sollte es nicht nur um effizientere Prozesse gehen. In ihrem Gutachten 2017 hat die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) empfohlen, dass "Deutschland im E-Government bis 2025 zum anerkannten Erfolgsmodell für digitale Regierung und Administration in Europa“ werden sollte. Doch Deutschland verharrt in Sachen E-Government im europäischen Vergleich auf den hinteren Rängen, im Jahr 2020 auf Rang 21 von 28, wie der Digital Economy and Society Indicator der EU zeigt. Zwar konnten Fortschritte bei der Bereitstellung öffentlicher Dienste für Unternehmen und bei Open Data erzielt werden. Jedoch sind die Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern, sowie die Möglichkeiten vorausgefüllte Formulare zu nutzen, noch stark ausbaufähig. Nicht zuletzt die in der Corona-Pandemie erfolgten digitalen Lernprozesse sollten jetzt Ansporn sein, hier aufzuholen.
Open Data – Grundlage für wissenschaftliche Erkenntnisse und innovative Angebote
Digitale Technologien befähigen ihre Anwender zu Innovationen. Dies gilt für die öffentliche Verwaltung genauso wie für die Wirtschaft. Daher sollte auch die Entwicklung neuer Angebote in den Blick genommen und dabei insbesondere die Potenziale offener Verwaltungsdaten stärker ausgeschöpft werden.
Seit Beginn der Corona-Pandemie haben wir den Wert zuverlässiger Daten als Entscheidungsgrundlage schätzen gelernt. Gesundheitsdaten, die nach einheitlichem Muster aktuell erhoben und zusammengeführt werden können, haben sich als zentrale Grundlage für politische Entscheidungen erwiesen. Hier liegen noch immer große Potenziale brach, die es zu heben gilt. Zum Beispiel sind Geodaten wissenschaftlich verwertbar, können gleichermaßen aber auch wirtschaftlich genutzt werden für die Entwicklung digitaler Dienste, die eine ressourcenschonende Verkehrsnutzung fördern. Ein intensiverer Austausch zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft kann dazu beitragen, die Potenziale von Verwaltungsdaten auszuschöpfen.
Begeistern und Weiterbilden für E-Government
Eine erfolgreiche Digitalisierung erfordert, in öffentlichen Einrichtungen genauso wie in der Wirtschaft, digitale Kompetenzen. Diese umfassen Basiswissen für den täglichen Umgang mit digitalen Lösungen, aber genauso Expertenwissen zum Beispiel für die Software-Programmierung und die Aufbereitung und Auswertung von Daten.
Investitionen sollten daher nicht nur in die technologische Ausstattung fließen, sondern auch in die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung. Ohnehin sind die Beschäftigten öffentlicher Verwaltungseinrichtungen ein essenzieller Faktor. Sie zu begeistern für das komplexe Vorhaben ‚E-Government‘ ist eine Aufgabe für sich. Bis Ende 2022 ist nicht mehr viel Zeit für die vollständige Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Bis dahin ist noch einiges an Anstrengung notwendig. Aber nur so rückt das Ziel "zum anerkannten Erfolgsmodell für digitale Regierung und Administration in Europa zu werden“ in greifbare Nähe.
Die Seite onlinezugangsgesetz.de veröffentlicht an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge. Diese geben einen persönlichen Einblick in die Prozesse und Projekte rund um die OZG-Umsetzung. Es handelt sich um die Meinungen und Eindrücke der jeweiligen Akteurinnen und Akteure. Sie entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des BMI.