OZG-Umsetzung bis Ende 2022 – das geht nur mutig, entschlossen und gemeinsam!

Typ: Namensartikel , Datum: 30.11.2020

Thorsten Unterberg berichtet über die Erfahrungen aus der digitalen Leitkommune Paderborn.

Die Stadt Paderborn ist 2018 vom Land NRW zur Leitkommune der Digitalen Modelregion OWL ernannt worden. In diesem Förderprogramm setzen wir das Projekt “Digitales Bürgerbüro“ um. Inhalt des Projektes ist die Bereitstellung von Online-Dienstleistungen für Bürgerinnen Bürger sowie Unternehmen auf einem Serviceportal. Die Anmeldung am Portal erfolgt über das Servicekonto.NRW, das später den bundesweiten Portalverbund unterstützen soll. Zeitgleich arbeiten wir im OZG-Themenfeld Arbeit & Ruhestand als Pilotkommune an der Umsetzung eines Prototypes zur Umsetzung der OZG-Leistung "Hilfe zum Lebensunterhalt“, die nach dem EfA-Prinzip ("Einer-für-alle-Prinzip“) entwickelt wird.

aktuelles Zitat:

Thorsten Unterberg
"Durch neue Zugangskanäle, können die Bürgerinnen und Bürger unkompliziert mit der Verwaltung in Kontakt treten"

Thorsten Unterberg

Thorsten Unterberg ist Projektleiter im Bereich E-Government der Stadt Paderborn

Im Projekt setzen wir auf eine Multikanalstrategie. Diese umfasst u.a. Online-Services, fundierte Auskünfte des telefonischen Servicecenters, sowie neue Zugangskanäle wie einen Chat oder GovBot und eine Indoornavigation. So können die Bürgerinnen und Bürger online, telefonisch, per Chat oder persönlich unkompliziert mit der Verwaltung in Kontakt treten. Zudem soll der GovBot auch außerhalb der regulären Dienstzeiten die Bürgerinnen und Bürger bei Ihren Anliegen unterstützen.

Über das Serviceportal als Basis für die angebotenen Dienste kann im Idealfall die medienbruchfreie Antragstellung erfolgen. Mit Hilfe intelligenter Formularassistenten, durch die Integration von Fachanwendungen und die Anbindung eines Dokumentenmanagementsystems werden Antragsprozesse sowohl extern wie auch intern beschleunigt. Zudem ist die sichere Kommunikation mit den Bürger*innen über das Portal möglich. Anwendungen wie z.B. Bewohnerparken ermöglichen es bereits jetzt, ohne Behördengänge, die Dienstleistung 24/7 zu beantragen und sich Genehmigungen zu Hause auszudrucken.

Was sind Herausforderungen vor denen Sie stehen oder standen?

Seit Anfang 2020 ist unser Serviceportal mein-digiport.de online. Derzeit bieten wir schon ca. 70 Online-Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen an. 50 Anträge mit Formularassistenten sind davon selbst entwickelt worden und können teilweise direkt ins Dokumentenmanagementsystem oder ins Fachverfahren importiert werden. Einige Anträge werden automatisch an mehrere Fachbereiche im Hause geschickt. Es ist nur noch ein Antrag erforderlich, wodurch die Bürgerfreundlichkeit deutlich erhöht wird. Folgende Herausforderungen haben sich im Laufe des Projekts gezeigt:

  1. Die Einführung des Portals führt, wie die Digitalisierung generell, zu Änderungen in den Arbeitsabläufen. Alle Kollegeninnen und Kollegen in den Fachämtern müssen mitgenommen werden, damit sie diesen Veränderungen gegenüber positiv eingestellt sind und diese mittragen.
  2. Es gibt leider wenige Fachverfahrenshersteller, die eine offene Schnittstelle für den Import von XML-Dateien anbieten. So entstehen Medienbrüche, da die Daten oftmals händisch in das Fachverfahren übertragen werden müssen.
  3. Bei behördenübergreifenden Anträgen ist festzustellen, dass noch nicht alle Behörden für den digitalen Empfang gerüstet sind.
  4. Das gesetzliche Schriftformerfordernis steht vielfach digitalen Antragsverfahren im Wege, sodass einige Bereiche nur bedingt digitalisiert werden können.
  5. Im Idealfall sollte auch die Rückantwort an die antragstellende Person oder Unternehmen digital erfolgen. Dies stellt eine große Herausforderung da, da es noch kein einheitliches, sicheres, digitales Postfach für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen gibt und Schnittstellen aus Fachverfahren fehlen.

Was haben Sie bislang als Erfahrungen mitgenommen?

Wir haben zwei wichtige Erkenntnisse aus den bisherigen Umsetzungen gewonnen. Einerseits muss das betroffene Fachamt beim Umstellungsprozess mitgenommen werden und hinter dem Digitalisierungsprozess stehen. Besonders hilfreich war es, wenn eine Ansprechperson  als "Digitalisierungslotse“ benannt wird, die als Schnittstelle zwischen Fachamt und Projektteam dient. Im Idealfall könnten Online-Anwendungen "eins-zu-eins“ übertragen werden. In der Realität sind die Prozesse in den Kommunen jedoch nicht vollständig gleich, so dass eine Übertragung nicht ohne weiteres möglich ist z.B. zusätzliches Feld in der Online-Maske gewünscht oder aber fachlichen Anforderungen, die eine Unterbrechung der ansonsten automatischen Antragsbearbeitung erforderlich machen.

Gibt es eine Empfehlung, die Sie weitergeben würden?

Für den Start ist es hilfreich, einfache Bereiche zu wählen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Wichtig ist, überhaupt anzufangen, auch wenn die erarbeitete Lösung vielleicht nur 80 % des gewünschten Ergebnisses erzielt. Aufgrund des engen Zeitplans der OZG-Umsetzung bis Ende 2022 sollte man sich nicht nur auf die Ergebnisse der Digitalisierungslabore verlassen, sondern schon jetzt selbst in bestimmten Bereichen aktiv werden. Später können die Ergebnisse aus den OZG-Digitalisierungslaboren und Arbeitsgruppen zusätzlich übernommen werden.

Wertvoll bleibt natürlich das EfA-Prinzip:  Der Austausch mit anderen Kommunen über ggfs. vorhandene Lösungen sollte am Beginn eines jeden Projekts stehen.  Eine Vorabinformation ist auch über entsprechende Internetseiten, wie die Datenbank des KDN (ozg.kdn.de) möglich.

OZG-Umsetzung bis Ende 2022 – das geht nur mutig, entschlossen und gemeinsam!

Die Seite onlinezugangsgesetz.de veröffentlicht an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge. Diese geben einen persönlichen Einblick in die Prozesse und Projekte rund um die OZG-Umsetzung. Es handelt sich um die Meinungen und Eindrücke der jeweiligen Akteurinnen und Akteure. Sie entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des BMI.

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