Strategische Herausforderungen der OZG-Umsetzung

Typ: Interview , Datum: 21.01.2021

Im Gastbeitrag stellt Dr. Johannes Ludewig Kernthesen aus dem "Monitor Digitale Verwaltung" vor. Darin bewertet der Vorsitzende des Normenkontrollrats den aktuellen Stand der OZG-Umsetzung.

aktuelles Zitat:

Porträt von Dr. Johannes Ludewig
"Für den Normenkontrollrat (NKR) ist die Digitalisierung der Verwaltung ein strategisches Schlüsselthema."

Dr. Johannes Ludewig

Dr. Johannes Ludewig ist seit dem Jahr 2006 Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates, der die Bundesregierung bei ihren Maßnahmen zu Bürokratieabbau und Besseren Rechtsetzung berät und unterstützt. Zuvor war er Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) soll die Digitale Verwaltung einen entscheidenden Schub erhalten. Rund 600 Verwaltungsleistungen müssen bis Ende 2022 digitalisiert werden. Derzeit arbeiten Bund, Länder und Kommunen unter Hochdruck an der Umsetzung. Dabei ist auf allen Ebenen viel Engagement und Wille erkennbar. Die Covid-19-Pandemie stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, auf die schnell reagiert werden musste. So wurden etwa die Anträge auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz in einem Expressverfahren digitalisiert. Es zeigt sich: Wenn es darauf ankommt, sind schnelle Erfolge machbar.

Für den Normenkontrollrat (NKR) ist die Digitalisierung der Verwaltung ein strategisches Schlüsselthema. Nicht nur, um Bürokratie abzubauen, sondern auch um die Handlungsfähigkeit und Zukunftsfestigkeit von Staat und Verwaltung langfristig sicherzustellen und Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten. Der NKR äußert sich daher schon seit längerer Zeit zu verschiedenen Aspekten der Verwaltungsdigitalisierung.

Es ist dem NKR ein wichtiges Anliegen, die Umsetzung des OZG eng zu begleiten und den Umsetzungsstand zu bewerten. Dazu gibt er regelmäßig den “Monitor Digitale Verwaltung” heraus. Die vierte Ausgabe des Monitors Digitale Verwaltung ist im September erschienen – die darin enthaltenen Kernthesen haben weiterhin Gültigkeit.

Halbzeit beim OZG: Wir brauchen Transparenz über den Umsetzungsstand

Im Monitor#4 hatte der NKR moniert, dass keine Transparenz darüber bestünde, welche der rund 600 Verwaltungsleistungen flächendeckend und mit dem notwendigen Reifegrad 3 (durchgängiges Onlineverfahren inkl. aller Nachweise und Rückkanal) tatsächlich zur Verfügung stehen. Damit gibt es bisher keine verlässlichen Informationen zum Umsetzungsstand für den Bund oder die Länder. Problematisch dabei: Fehlentwicklungen werden nicht frühzeitig genug erkannt und notwendige Anpassungen können nicht stattfinden. Auch den Kommunen fehlt die Möglichkeit, sich darüber zu informieren, welche Lösungen aus den OZG-Digitalisierungslaboren wann und in welcher Form zur Verfügung stehen, wie sie sich am besten auf eine Übernahme einstellen können (Schnittstellenspezifikationen, Betriebsmodelle, Lizenzbedingungen), oder wo sie selbst Lösungen entwickeln sollten. Anders gesagt: Den Kommunen fehlt die für die effektive Umsetzung nötige Orientierung.

Mittlerweile ist das Dashboard zur OZG-Umsetzung veröffentlicht worden: Demnach sind 315 Leistungen verfügbar (Stand: 7. Januar 2021). Allerdings wird derzeit eine Leistung schon dann als online dargestellt, wenn sie im Reifegrad 2 (Online-Antrag möglich, Nachweise müssen analog übermittelt werden) in mindestens einer Kommune implementiert wurde. Dabei gelten Onlineleistungen jedoch erst dann als OZG-konform digitalisiert, wenn sie Reifegrad 3 erreicht haben (Nachweise online einreichbar, elektronischer Rückkanal). Zudem müssen sie deutschlandweit verfügbar sein. Daher ist es folgerichtig, dass das Dashboard in seiner nächsten Ausbaustufe so angepasst werden soll, dass auch der tatsächliche OZG-Umsetzungsstand abgebildet wird.

Die Konjunktur-Milliarden können helfen, aber Geld allein macht nicht glücklich

Im Monitor#4 wurde argumentiert, dass eine erfolgreiche OZG-Umsetzung neben der finanziellen Ausstattung auch eine Verringerung der Umsetzungskomplexität benötigt. Maßgeblich ist hierfür eine konsequente Standardisierung. Eine Modularisierung und die Verwendung offener Schnittstellen stellen einerseits sicher, dass Einer-für-Alle-Leistungen gut nachgenutzt werden können. Andererseits kann nur auf diese Weise vermieden werden, dass sich die Verwaltung in langfristige Abhängigkeiten von jeweils nur einem oder wenigen Anbietern und ihren herstellerspezifischen Lösungen begibt. Standardisierung und Wettbewerb sind die notwendigen Garanten dafür, dass eine möglichst mittelständisch geprägte und durch Start-Ups bereicherte Anbieterlandschaft dauerhaft wirtschaftliche, bedarfsorientierte und innovative IT-Lösungen anbieten kann. Dieser in seiner Bedeutung für die weitere Zukunft der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung kaum zu überschätzende Aspekt spielt in den Diskussionen zwischen Bund und Ländern bisher eine erkennbar zu geringe Rolle.

Mit dem FIT-Store und mit FIT-Connect hat der IT-Planungsrat erste Bausteine einer föderalen IT-Architektur in Angriff genommen. Auch ist im Bereich der Zugangsplattformen die Entwicklung eines föderierten Plattformverbundes zu beobachten. Ein echtes Standardisierungsregime, wie es z.B. das DIN darstellt, gibt es aber noch nicht. Bisher hängt es zu sehr am guten Willen der einzelnen Projektentwickler in Bund und Ländern, in welchem Umfang in offene Standards, Schnittstellen und Softwarelösungen investiert wird.

Die Digitalisierung fängt beim Gesetzentwurf an

Porträt von Dr. Johannes Ludewig
"Wir müssen die Vollzugs- und Digitaltauglichkeit unserer Gesetze verbessern und mit einem Digital-TÜV systematisch kontrollieren."

Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates

Die Digitalisierungslabore der OZG-Umsetzung identifizieren Änderungsbedarfe, um bestehendes Recht digitaltauglich zu machen. Bis einmal identifizierte Digitalisierungshemmnisse jedoch auch tatsächlich abgebaut werden, vergeht viel Zeit - auch weil die Bereitschaft der jeweils zuständigen Ressorts dazu nicht besonders ausgeprägt ist.

Umso wichtiger ist es, die Digitaltauglichkeit neuer Regelungen schon von Anfang an als Qualitätsmerkmal guter Gesetzgebung zu verankern. Der Koalitionsvertrag dieser Legislaturperiode kündigt an, “alle bisherigen und zukünftigen Gesetze auf ihre Digitaltauglichkeit [zu] überprüfen und E-Government-fähig [zu] machen”. Der bereits mehrfach vorgeschlagene Digital-TÜV wartet immer noch auf seine Einführung. Aufträge zur Durchführung zweier Pilotvorhaben waren vom Digitalkabinett bereits vor mehr als einem Jahr erteilt worden. Bisher wurde kein einziges durchgeführt. Nach Einschätzung des NKR sollte ein Digital-TÜV auch ohne Pilotvorhaben eingeführt werden – das dänische Vorbild zeigt, wie es geht und wie nutzbringend eine digital ready legislation ist.

Die Seite onlinezugangsgesetz.de veröffentlicht an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge. Diese geben einen persönlichen Einblick in die Prozesse und Projekte rund um die OZG-Umsetzung. Es handelt sich um die Meinungen und Eindrücke der jeweiligen Akteurinnen und Akteure. Sie entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des BMI.

Ergänzende Informationen: