Öffentliche Vergabe - Bremen und NRW geben Einblicke über die Zusammenarbeit und Hürden im Projekt
Interview 17.11.2022
Im Themenfeld Unternehmensführung & -entwicklung gestalten die Freie Hansestadt Bremen und Nordrhein-Westfalen zusammen die Digitalisierung des Einkaufs- und Beschaffungsprozesses. Im Interview sprechen Peter Büsing und Annette Schmidt über ihr Projekt.
Das Bremer OZG-Umsetzungsprojekt "Vergabe" setzt für drei OZG-Leistungen Onlineservices im Themenfeld Unternehmensführung & -entwicklung um. Was sind die Inhalte der Onlineservices und welche Mehrwerte werden jeweils geschaffen, Herr Büsing?
Hinter dem Bremer Umsetzungsprojekt "Vergabe" stehen die drei Onlineservices "Präqualifizierungsservice", "Zugang zur öffentlichen Vergabe" sowie das "Lieferantencockpit", die unterschiedliche Aspekte des Vergabe- und Beschaffungsprozesses fokussieren. Gemeinsames Ziel ist es, die bürokratischen Hürden im Beschaffungsprozess abzubauen, die Interaktion zwischen Lieferanten und der Verwaltung zu erleichtern und schließlich den Wettbewerb bei öffentlichen Aufträgen zu stärken.
Mittels des Präqualifizierungsservices können Unternehmen ihre Eignung im Sinne der Vergabe- und Vertragsordnung für öffentliche Aufträge gegenüber dem Auftraggeber nachweisen. Dabei sollen Unternehmen zukünftig über einen zentralen Zugang am Präqualifizierungsverfahren teilnehmen können. Die Ergebnisse aus den Präqualifizierungsverfahren in den Bereichen Bau sowie Lieferungen und Dienstleistungen werden zentral zur Verfügung gestellt und können von den Vergabesystemen der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der Vergabeverfahren abgerufen werden.
Mit dem Onlineservice Zugang zur öffentlichen Vergabe wurde ein standardbasierter Vermittlungsdienst realisiert, der Auftrags- und Vergabebekanntmachungen von möglichst allen Vergabeplattformen in ein einheitliches Format überführt. Das Format basiert auf den Vorgaben der EU-Durchführungsverordnung zur standardisierten Veröffentlichung von Bekanntmachungen ("eForms") und wird über die Peppol-Infrastruktur dem "Datenservice Öffentlicher Einkauf" bereitgestellt, der vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) entwickelt wird.
Beim Lieferantencockpit, dem dritten Onlineservice, gilt es, bestehende Rahmenverträge vollständig über digitale Bestellprozesse abzubilden. Kernidee des Onlineservices ist ein einheitlicher Zugang zu den öffentlichen elektronischen Einkaufssystemen. Das Lieferantencockpit ermöglicht Unternehmen die Interaktion mit allen Verwaltungseinheiten, mit denen Rahmenverträge geschlossen wurden. Über das Lieferantencockpit kann ein Unternehmen zukünftig seine standardbasierten Katalogdaten einstellen und pflegen sowie die Einkäuferinnen und Einkäufer der öffentlichen Verwaltung beraten. Zudem unterstützt das Lieferantencockpit die elektronischen Einkaufssysteme der Verwaltung darin, Bestellungen basierend auf dem neu entwickelten Standard "XBestellung" zu erzeugen und an die Unternehmen zu übermitteln. Alle drei Dienste wurden bereits in Bremen referenzimplementiert.
Entsprechend des Prinzips "Einer für Alle" (EfA) strebt das Bundesland Nordrhein-Westfalen eine Nachnutzung der in Bremen entwickelten Onlineservices an. Zudem sind Bremen und Nordrhein-Westfalen Mitglieder des Bund-Länder-Kooperationsprojektes zur "standardbasierten Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs- und Beschaffungsprozesses". Wie beurteilen Sie Ihre bisherige Zusammenarbeit im Kontext der Digitalisierung der Beschaffung, Frau Schmidt?
Als mitarbeitende Länder im OZG-Themenfeld Unternehmensführung & -entwicklung gestalten Nordrhein-Westfalen und die Freie Hansestadt Bremen zusammen die Digitalisierung des Einkaufs- und Beschaffungsprozesses. Hierbei ist die EfA-Umsetzung im Rahmen zweier Umsetzungsprojekte ein Schwerpunkt.
Im Fokus steht immer das gemeinsame Ziel: Klare Mehrwerte zu schaffen für Unternehmen im Rahmen der digitalen Beschaffung! Das Land Nordrhein-Westfalen ist dem EfA-Modell beigetreten und strebt grundsätzlich die Nachnutzung der arbeitsteilig entwickelten Onlinedienste an.
Die bisherige gute Zusammenarbeit im gemeinsamen Themenfeld überzeugt und erweist sich als eine wesentliche Stärke. Kerngedanke der Kooperation ist es, den komplexen Gesamtprozess des öffentlichen Einkaufs in ineinandergreifende Teilprozesse zu untergliedern, um den jeweiligen Herausforderungen über fachspezifische Arbeitsgruppen gerecht zu werden. Der regelmäßige Austausch aller Beteiligten, bei dem Fortschritte und Anpassungen ganzheitlich und transparent beleuchtet werden, erlaubt schließlich die zielgerichtete Weiterentwicklung der relevanten Themen.
Wie gestaltet sich der derzeitige Bremer Projektstand? Wo stehen Sie und welche Herausforderungen sehen Sie, Herr Büsing?
Die Umsetzungsprojekte im OZG-Kontext umfassen drei Phasen: Konzeption, Referenzimplementierung und Roll-out. Zum 30. Juni 2022 wurde die Phase der Referenzimplementierung abgeschlossen. Hauptziel dieser Phase war die Entwicklung der EfA-Lösungen und der Betriebsstart.
Im Fokus der aktuellen Roll-out-Phase steht die schnelle und transparente Anbindung der Fachverfahren der mitnutzenden Länder und deren Kommunen an die im Umsetzungsprojekt "Vergabe" entwickelten EfA-Lösungen. Ziel ist es, möglichst viele Bundesländer für die Mitnutzung zu gewinnen, da so die ressourcenschonenden Synergieeffekte besonders zum Tragen kommen. Als Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung aller EfA-Projekte gilt die die "8+1"-Vorgabe. Das bedeutet für das Umsetzungsprojekt, dass neben dem umsetzenden Land Bremen jeweils noch acht weitere Bundesländer an die drei Lösungen angebunden werden sollen.
Für die Anbindung der mitnutzenden Bundesländer stellt das Umsetzungsprojekt "Vergabe" ein Vorgehensmodell zur Anbindung zur Verfügung, das gesamtheitlich den gemeinsamen Prozess zur Anbindung an die drei EfA-Lösungen unter Beachtung der EfA-Dimensionen Recht, Technik, Finanzen und Organisation strukturiert. Parallel dazu stellen wir den an der Mitnutzung interessierten Ländern das Umsetzungsprojekt im Rahmen von dialogischen Veranstaltungen vor und beantworten offene Fragen der potenziellen Nutzenden.
Aufgrund vieler Aktivitäten, denen sich die Länder allgemein durch die OZG- und EfA-Umsetzungen stellen, aber auch vor dem Hintergrund, dass die Rahmenbedingungen des "OZG 2.0" in Bezug auf Weiterentwicklung oder Finanzierung noch nicht feststehen, erleben wir, dass es eine Herausforderung ist, große Nachnutzungs-Allianzen herzustellen.
Wir stehen mit einer Reihe von Bundesländern bezüglich der Mitnutzung in engem Austausch. Zudem fungiert die Stadt Bremerhaven als Pilot-Kommune, die alle drei EfA-Lösungen mitnutzen wird.
Welche lehrreichen Erfahrungen aus der OZG-Umsetzung nehmen Sie für zukünftige Projekte mit, Herr Büsing und Frau Schmidt?
Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist die hohe Bedeutung der Standardisierung und Digitalisierung, um die Synergien zu heben – insbesondere bei einem so komplexen Gesamtprozess wie dem öffentlichen Einkaufs- und Beschaffungsprozess. Digitale Standards schaffen als Grundlage eines automatisierten Datenaustausches Verlässlichkeit und Transparenz.
Des Weiteren ist es sehr hilfreich, auf Erfahrungswerte bisheriger Digitalisierungsvorhaben aufzusetzen wie zum Beispiel der "E-Rechnung" beziehungsweise der "XRechnung". Bereits etablierte Standards oder Prozesse können ausgebaut werden, indem vorgelagerte Prozesse medienbruchfrei und durchgängig digitalisiert werden. Dies ist auch ein Anspruch an uns, die Erfahrungswerte und "Lessons Learned" mit weiteren Partnern zu teilen – das passiert in der Bund-Länder-Kooperation, aber auch im Rahmen von Informationsveranstaltungen des Vorgehensmodells zur Anbindung mit den Ländern.