Sieben Schritte für den Weg zur digitalen Kommunalverwaltung

Typ: Namensartikel , Datum: 25.02.2022

Welchen Herausforderungen begegnen die Städte bei Umsetzung des OZG? Und wie könnte die Verwaltung von Morgen aussehen? Dr. Uda Bastians zeigt in ihrem Gastbeitrag mögliche Schritte auf.

aktuelles Zitat:

Uda Bastians, Deutscher Städtetag
"Den Städten ist schon lange klar: Die Aufgaben einer digital transformierten Kommunalverwaltung gehen weit über die Bereitstellung digitaler Anträge hinaus – und übersteigen damit die Erfordernisse des OZG erheblich."

Uda Bastians

Frau Dr. Uda Bastians ist seit Februar 2018 Beigeordnete beim Deutschen Städtetag und leitet dort das Dezernat Recht und Verwaltung. Vorher sammelte die Juristin sowohl Erfahrungen auf Landesebene beim Landkreistag Brandenburg als auch auf Bundesebene beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Der digitale Fortschritt erlaubt auch den Städten fortwährend neue digitale Lösungen. Sie sind oft Vorreiter in zahlreichen Digitalisierungsprojekten und verfügen über eine breite Digitalisierungsexpertise. Den Städten ist schon lange klar: Die Aufgaben einer digital transformierten Kommunalverwaltung gehen weit über die Bereitstellung digitaler Anträge hinaus – und übersteigen damit die Erfordernisse des OZG erheblich. Denn die Städte haben den Auftrag und den Anspruch, nutzerfreund­liche und zeitgemäße Onlineservices für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen schnell und unkompliziert anzubieten. Zugleich müssen sie wirtschaftlich, krisenfest und modern arbeiten. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen erwarten heute schon, Behördenangelegenheiten schnell und einfach online erledigen zu können. Was wir aber in der Summe dafür brauchen, sind medienbruchfreie digitale Gesamtprozesse, die auch die Fachverfahren einbeziehen – mit hohen Bearbeitungsgeschwindigkeiten und klarer Nutzerorientierung. Dafür braucht es eine Zusammenführung von Strukturen und transparente Nachnutzungskonzepte. Und all das begleitet von einem engen bundesweiten interkommunalen Austausch.

Seit Beginn im Jahr 2017 haben sich die organisatorischen, technischen und finanziellen Rahmenbedingungen der OZG-Umsetzung für die Städte stetig verändert. Vor allem mit Blick auf Erfordernisse nach Ablauf des Umsetzungszeitraumes ab 2023 sind Anpassungen notwendig geworden. Die Städte unterliegen einem hohen Zeitdruck und einer großen Planungsunsicherheit. Offen ist, welche Vorbereitungen im Zuge der kommunalen Nachnutzung getroffen werden müssen. Insbesondere sind die zu erwartenden Kosten für den Zeitraum ab 2023 ungewiss, auch wenn der Koalitionsvertrag die Hoffnung nährt, dass Gelder fließen sollen.

Wie sieht die Verwaltung von Morgen aus?

Wäre es nicht eine Überlegung wert, in Zukunft Gesetze so zu gestalten, dass Bürgerinnen und Bürger Leistungen nicht mehr beantragen müssen, sondern ereignis- oder zustandsgesteuert vom Bürger ausgelöst werden können? Gesetze müssen künftig stets digital gedacht werden. Die Vorbereitung von Entscheidungen über Anträge könnte regelbasiert über KI-Systeme erfolgen. Eine schnelle Zuweisung von Bürgerinnen und Bürgern zu Beratungsleistungen kann zielgruppenspezifisch über unterschiedliche physisch und digitale Kanäle stattfinden. Je nach der Kategorie von Verwaltungsleistungen und notwendigen bzw. gewünschten Beratungen könnten Kommunen diese als eigene Leistung, als Shared-Service oder als zentralen und direkten Service des Landes oder Bundes anbieten (z. B. Führungszeugnis). Dazu könnte ein bundesweites Portal dienen, in dem Bürgerinnen und Bürger ihre Leistungen erledigen können.

Welche Schritte müssen wir gehen?

1. Planungssicherheit bei der Finanzierung schaffen: OZG und Förderung ab 2023

Ebenen übergreifende Vernetzung erfordert eine dauerhafte, ggf. anteilige Finanzierung von Online-Bürgerdiensten, deren dauerhaften Support und regelmäßige Anpassungen. Für den weiteren Umbau von Strukturen in den Kommunalverwaltungen bedarf es einer kontinuierlichen Unterstützung der Städte.

2. Angebot zentraler Lösungen, Vereinfachung und Standardisierung

Um mehr Kapazitäten und Gestaltungsspielräume vor Ort zu schaffen und Bündelungseffekte und Vereinfachungen zu erreichen, sollten zentrale IT-Lösungen für Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung ohne kommunale Handlungsspielräume von Bund und Ländern für die Kommunen angeboten werden. Nicht jede Kommune müsste sich, wie heute, um die individuelle technische Umsetzung und den Betrieb von IT-Lösungen für Leistungen kümmern, die gar keine kommunalen Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume haben. Dazu zählen neben Prozessen auch Basisdienste zur Authentisierung/ Authentifikation, zur rechtssicheren Zustellung von Bescheiden, zur Zahlungsabwicklung und zur Modellierung von Onlineformularen. Auch eine Standardisierung von Rechtsbegriffen ist erforderlich. In diesem Zusammenhang sollte auch eine zentrale Klärung von Fragen hinsichtlich Datenschutz, Datensicherheit und Schnittstellen für IT-Services stattfinden. Neuentwicklungen von Bundes- und Landesleistungen sollten vereinfacht und zentral ausgeschrieben werden.

3.   Konzentration auf kommunale Aufgaben mit Gestaltungspotenzial

Setzen sich digitale Prozesse auf mittlere Sicht durch, sollten alle Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung einer Aufgabenkritik unterzogen werden. Der Grund für die Aufgabenzuordnung im vergangenen Jahrhundert lag in der Bürgernähe der kommunalen Ebene. Mit der digitalen Transformation in den Kommunalverwaltungen könnten Aufgabenzuschnitte angepasst werden. Eine Konzentration der Kommunen auf eigene kommunale Aufgaben mit Gestaltungspotenzial (z. B. Service, Soziales, Wirtschaft, Kultur etc.) eröffnet neue Qualitäten der kommunalen Daseinsvorsorge.

4.   Portalstrukturen vereinfachen: Mittelfristig ein Portal

Es herrscht bundesweit ein Nebeneinander von zahlreichen (Fach-, Kommunal-, Service-) Portalen beim Angebot von Onlineleistungen und darüber hinaus. Das hemmt Synergien und ist nicht nutzerfreundlich. Ein Verbund von Portalen, z. B. über die Verwaltungssuchmaschine, ist für die Städte oft intransparent und mit Unsicherheiten verbunden. Die Parallelität der Portale beim Angebot von Onlineleistungen sollte durch eine vereinfachte, anwendungsorientierte Portalstruktur, die auch kommunale Webseiten entlasten kann, abgelöst werden. Bestenfalls gibt es perspektivisch ein bundesweites Portal, in dem vorkonfiguriert und im Self-Service anpassbar alle Leistungen erledigt werden können.

5.   Synergien, Vernetzung und transparente Nachnutzung

Kommunale Parallelentwicklungen entstehen oft aus Unkenntnis. Daher braucht es eine einheitliche bundesweite Informations- und Austauschplattform, die Kommunen Zugriff auf Planungen, bewährte Prozesse und IT-Produkte ermöglicht. Synergien und Vernetzungsmöglichkeiten müssen strukturiert genutzt werden können. Zur Steigerung der Entwicklungs- und Umsetzungsgeschwindigkeit muss ein interkommunaler Wissenstransfer stattfinden. Die Einrichtung eines zentralen Wissensmanagements zwischen Bund, Ländern und Kommunen wäre eine Überlegung wert.

6.   Personal anwerben, halten und qualifizieren

Viele Kommunen stehen einem großem Personal- und Fachkräftemangel gegenüber. Die Digitalisierung der Verwaltung fordert den Kommunen mittel- bis langfristig weitere erhebliche Anstrengungen ab. Um die Aufwände der digitalen Transformation der Verwaltung zu bewältigen, wird das gesamte heutige Personal in den Kommunalverwaltungen dringend gebraucht und muss hinsichtlich seiner digitalen Kompetenzen weiterqualifiziert werden. Zukünftig werden die Hochschulen vermehrt Fachkräfte mit einem angepassten Qualifikationsprofil ausbilden müssen.

7.   Neustrukturierung der kommunalen IT

Eine Bündelung von Know-how und eine Spezialisierung der IT-Dienstleister kann dazu beitragen, die Verwaltungsdigitalisierung auf kommunale Ebene voranzubringen. Hierzu beitragen könnte auch die Standardisierung von Prozessen, mehr Innovationskraft und -dynamik auf Entwicklungsebene, Wettbewerb und transparente Angebotsgestaltung.

OZG als Türöffner

Wir müssen das OZG als Baustein für die durchgängige Digitalisierung der Verwaltungen nutzen. Das heißt, es darf keinen reinen Fokus auf das Frontend geben. Wir brauchen workfloworientierte, intelligente Systeme und Dialoge, die Prozesse durchgängig im Backend integrieren. Wir brauchen standardisierte zentrale Basiskomponenten und eine Kopplung der Fachverfahren mit Realisierung der fallabschließenden digitalen Bearbeitung. Über allem sollte stehen, dass Nutzerinnen und Nutzer weiter in Zentrum stehen: Einfacher Zugang zur Verwaltung, Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen bei der Nutzung digitaler Systeme und der Abbau digitaler Barrieren.

Mit dem angekündigten OZG 2.0 verbinden die Städte große Hoffnungen für eine digital transformierte Kommunalverwaltung. Es muss die Erwartungen erfüllen, die geweckt wurden. Die Städte sind bereit, daran konstruktiv mitzuwirken.

Die Seite onlinezugangsgesetz.de veröffentlicht an dieser Stelle regelmäßig Gastbeiträge. Diese geben einen persönlichen Einblick in die Prozesse und Projekte rund um die OZG-Umsetzung. Es handelt sich um die Meinungen und Eindrücke der jeweiligen Akteurinnen und Akteure. Sie entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des BMI.

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