Vom Softwareverzeichnis zur Plattform für die Digitale Souveränität: Leonhard Kugler im Gespräch über openCode
Interview 20.01.2025
Im Interview berichtet Leonhard Kugler vom ZenDiS, wie openCode zur Plattform der Digitalen Souveränität in Deutschland wird.
Das ZenDiS verantwortet seit Januar 2024 openCode. Was genau leistet die Plattform?
Der IT-Planungsrat hat openCode als zentrale Plattform der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland für den Austausch von Open-Source-Software initiiert. Dabei ging es neben der Definition und Etablierung einer Open-Source-Governance ursprünglich vor allem um drei Dinge: Erstens um den Austausch von Open-Source-Software. Zweitens um die gemeinsame Arbeit an Softwareprojekten. Und drittens um das Teilen von Wissen. Aktuell arbeiten bereits mehr als 5.400 Nutzende in über 2.300 Projekten zusammen. Das entspricht einer Zunahme von mehr als 100 Prozent in den vergangenen 12 Monaten.
Woran arbeitet das ZenDiS seit der Übernahme von openCode konkret?
openCode ist mit einem klaren technologischen Fokus gestartet: Ein zentrales Verzeichnis für Open-Source-Software, das die Veröffentlichung, Weiterentwicklung und Nachnutzung von offenem Quellcode einfach macht. Diese erste Phase war wichtig – denn sie hat die technologische Basis dafür geschaffen, dass Verwaltungseinrichtungen aus Bund, Ländern und Kommunen rechtssicher und übergreifend in Softwareprojekten zusammenarbeiten können. Zudem wurden wichtige Fragen zu Lizenzierung und Compliance-Aspekten geklärt.
Als wir dann beim ZenDiS das Ownership für openCode übernommen haben, war das der Beginn der zweiten Phase: In den zurückliegenden Monaten haben wir den Austausch zwischen den Menschen auf der Plattform gestärkt, beispielsweise durch unsere monatliche Online-Veranstaltung ZenDiS Open.
Gleichzeitig haben wir openCode genau evaluiert. Wenig überraschend nutzt die Öffentliche Verwaltung die Plattform vor allem für den Austausch von Software und die gemeinsame Arbeit an Projekten. Unsere Office und Collaboration Suite openDesk ist dort zu finden, der GA-Loste für Gesundheitsämter oder der Government Site Builder 11. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Interessant ist aber, wofür openCode sonst noch verwendet wird. Beispielsweise hat das KERN Projekt seinen UX-Standard für die Entwicklung von digitalen Verwaltungslösungen dort veröffentlicht. Es wurden Konsultationsverfahren durchgeführt – zur Architekturrichtlinie für die IT des Bundes und zum Zielbild einer OZG-Rahmenarchitektur. Außerdem finden sehr intensive Diskussionen zu Themen der Digitalisierung statt, etwa im Open Data Forum des Bundesverwaltungsamts.
Deutlich wurde auch, dass durch einige zusätzliche Elemente, der Mehrwert von openCode noch einmal erheblich gesteigert werden kann. Deshalb haben wir in den zurückliegenden Monaten eine Roadmap für openCode formuliert und intensiv an einem Relaunch gearbeitet.
Unsere Vision: openCode soll zu der zentralen Plattform für die Digitale Souveränität werden. Dort soll Software für die Öffentliche Verwaltung entlang einer sicheren Softwarelieferkette entstehen und geteilt werden. Menschen sollen die Möglichkeit haben, sich Wissen anzueignen und damit selbst zu befähigen. Auf openCode sollen Tools zu finden sein, die die Kooperation in allen Facetten unterstützt. Und um die Plattform herum soll eine Community wachsen, die sich gegenseitig bei der souveränen Digitalisierung unterstützt.
Wie ist der aktuelle Stand bei diesem Relaunch?
Wir sind Mitte Januar 2025 mit einer vollständig überarbeiteten Version von openCode live gegangen. Damit soll die dynamische Entwicklung der Plattform weiter beschleunigt, die Nachnutzung vorhandener Open-Source-Lösungen deutlich ausgebaut und die Öffentliche Verwaltung noch stärker zum Einsatz von Open-Source-Software befähigt werden.
Um das zu erreichen, haben wir die User Experience weiter verbessert. Die gesamte Plattform ist jetzt deutlich nutzerfreundlicher und zeichnet sich gleichzeitig durch eine optimierte Barrierefreiheit aus. Im Softwareverzeichnis haben wir die Suchfunktionen so verbessert, dass Projekte schneller gefunden und leicht nach Qualitätskriterien bewertet werden können. Im Wissensbereich stehen Inhalte bereit, die Nutzenden den Einstieg in Open Source erleichtern. Dazu zählen unter anderem ein Lizenzkatalog und Informationen zu Open-Source-Kriterien und -Definitionen. Zudem wurde das Community-Programm erweitert.
All das trägt sehr dazu bei, dass sich auch Menschen ohne dezidierten technologischen Hintergrund mühelos auf openCode und in der Open-Source-Welt zurechtfinden. Das ist ein echter Game Changer: Denn unserer Meinung nach müssen alle Mitarbeitenden aus der Öffentlichen Verwaltung partizipieren können, damit die digitale Transformation gelingt.
Wenn Sie Ende 2025 auf den Relaunch zurückblicken – wann würden Sie ein positives Fazit ziehen?
Der Relaunch ist der Start in die dritte Phase: In Zukunft werden wir kontinuierlich Wissen auf openCode hinzufügen und sukzessive weitere Services bereitstellen. Darüber hinaus liegt in diesem Jahr ein besonderer Fokus darauf, openCode zu einer sichere Softwarelieferkette auszubauen und als sicheren Bezugsort zu etablieren - inklusive automatisierter Qualitäts- und Sicherheitschecks für die unterschiedlichen Phasen der Softwareentwicklung. Dabei werden wir sehr eng mit dem BSI zusammenarbeiten und openCode in eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie der Öffentlichen Verwaltung einbetten.
Wenn ich also Ende des Jahres auf den Relaunch und openCode zurückblicke, dann würde ich den Erfolg nicht nur an quantitativen Größen festmachen – sei es an der Menge der Nutzenden oder der Anzahl der Projekte. Entscheidender ist die qualitative Entwicklung: Wenn Menschen aus allen Bereichen der Öffentlichen Verwaltung regelmäßig openCode nutzen, um die eigene Effektivität und Effizienz zu steigern und den Bürger:innen und Unternehmen immer bessere Dienste zur Verfügung zu stellen – dann sind wir mit der Plattform auf dem richtigen Weg. Dazu blicken wir natürlich auch auf die Nachnutzung, die ja einer der zentralen Vorteile von Open Source ist. Hier haben wir mit openCode die einmalige Chance, der Verwaltung eine sichere, vertrauenswürdige Bezugsquelle zu bieten Und wenn dann noch ein kultureller Wandel einsetzt und die in der Open-Source-Welt übliche Kooperation auch in der Verwaltung zur Selbstverständlichkeit wird, haben wir sehr viel erreicht.
Zum Schluss: Welchen Rat können Sie Verantwortlichen in der Verwaltungen für die Digitalisierung geben?
Natürlich kann ich nur allen empfehlen, sich bei openCode anzumelden und sich einfach einmal auf der Plattform umzuschauen. Bei konkreten Digitalisierungsprojekten sollte es dann zur Routine werden, erst einmal im Softwareverzeichnis nach einer passenden Lösung zu suchen, um Doppelentwicklungen zu vermeiden. Und wenn eigene Software entwickelt wird, sollte diese unter einer Open-Source-Lizenz auf openCode veröffentlicht werden, um wiederum anderen die Nachnutzung zu ermöglichen.
Noch wichtiger ist allerdings, dass in den Ämtern und Behörden und bei allen Mitarbeitenden ein Bewusstsein für die Relevanz der Digitalisierung entsteht: Digitalisierung ist auch eine kulturelle, strukturelle und prozessuale Aufgabe, nicht nur eine technologische. Deshalb betrifft sie wirklich alle Menschen in der Öffentlichen Verwaltung und nicht nur die IT-Kolleg:innen. Bei all dem müssen wir immer die Digitale Souveränität im Blick haben. Denn diese ist für die Handlungsfähigkeit unseres Staates unverzichtbar.