Erfahrungsbericht: Ein Online-Digitalisierungslabor in Zeiten von Corona
Meldung Forschung & Förderung 09.04.2020
Auch bei 'Digitalisierungslaboren' ist derzeit ein Umdenken notwendig. Das Themenfeld Forschung und Förderung ging hier neue Wege.
Im Themenfeld "Forschung und Förderung" wurde experimentiert: Statt das geplante Digitalisierungslabor "Fördermittelrecherche" abzusagen, wurde es als "Remote-Labor" durchgeführt. Cajetan J. Eder, Referatsleiter OZG im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und Co-Federführer des Themenfelds Forschung & Förderung, berichtet aus dem Labor:
Absagen, verschieben oder stark reduzieren – das schienen die Optionen im Digitalisierungslabor "Fördermittelrecherche", das als erstes Digitalisierungslabor im Themenfeld Forschung & Förderung gerade erst im März gestartet war und nun von der Corona-Krise ausgebremst zu werden drohte. Wer schon einmal in einem Digitalisierungslabor dabei war, weiß um die intensive, fokussierte Zusammenarbeit während der Design-Thinking-Workshops, in denen innerhalb von nur zwei Tagen eine Zielvision und eine erste Anmutung einer digitalisierten Verwaltungsleistung entwickelt wird. Es stellte sich also die Problematik, das nun auch virtuell hinzubekommen: Wie wäre es ohne einen Präsenztermin möglich, haptisch und visuell in einer großen Gruppe die Grundlage für eine digitale Förderrecherche zu legen?
Kontaktlos, aber verdrahtet
Die Antwort: mit einem digitalen Whiteboard. Nur wenige Tage nach der notwendig gewordenen Absage des in Berlin geplanten Präsenztermins stand die Entscheidung fest: Wir wagen das Experiment und treffen uns im digitalen Raum. Kontaktlos, aber verdrahtet. Mit nicht weniger Kaffee, aber ohne Händeschütteln und, ja, auch ohne die Gesichter der Projektpartner vor sich zu sehen. Denn obwohl Videotelefonie technisch möglich gewesen wäre, verzichteten wir darauf, um die ohnehin enge Bandbreite an den vielen Telearbeitsplätzen nicht noch weiter zu belasten.
Innerhalb kürzester Zeit konzipierten UX-Expertinnen ein digitales Digitalisierungslabor, evaluierten mögliche Softwaretools und entwarfen ein neues Drehbuch für die beiden Workshop-Tage.
Das digitale Whiteboard muss man sich vorstellen wie eine riesige Schultafel. Hier kann jede Teilnehmerin schreiben, zeichnen, verschieben, verbinden – und auch wieder wegwischen, wenn die Idee doch nicht so gut war. Kommentieren kann man im Chat, oder direkt auf dem Board mit einem Post-It in beliebiger Farbe und Größe. Und natürlich lassen sich Inhalte jeglicher Art anpinnen - von Fotos über Dokumente bis zu ganzen Powerpoint-Präsentation, die man direkt auf dem Board durchblättern kann. Dies kann jeder selbst, oder man überlässt dem Moderator mit einem Klick die Steuerung und sieht dann, was der Moderator sieht – Mauszeiger eingeschlossen.
Arbeiten im "Remote-Labor" (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)
Fördermittelrecherche digital
Um sich während des Workshops möglichst wenig mit Technik und möglichst viel mit Inhalten zu beschäftigen, trafen sich alle Teilnehmenden bereits vorab zweimal zu virtuellen Übungsterminen. Bei diesen gewannen sie spielerisch erste Erfahrungen mit den eingesetzten Tools, trainierten die wichtigsten Funktionen und konnten offene Fragen und kleinere Startschwierigkeiten direkt klären. Während des Workshops selbst geriet das ungewohnte Format schnell in Vergessenheit: Eifrig wurden Erwartungen angepinnt, "Wie können wir"-Fragen gesammelt, und die Chatfunktion für inhaltliche Anmerkungen zum Förderprozess genutzt. Nach kurzer Zeit stand so eine gemeinsam erarbeitete Zielvision schwarz auf grün auf dem Board, sodass der Nachmittag ganz der Zielkarte mit einer ersten Nutzerreise durch die digitale Fördermittelrecherche gewidmet wurde.
In einem weiteren Punkt wich das digitale Vorgehen von seinem Vor-Ort-Vorbild ab: Die Konzeptideen, für die alle Teilnehmenden drei Aspekte der Zielkarte visuell entwerfen und mit groben Strichen gestalten, entstanden nicht wie sonst in mehreren kurzen Kritzel-Runden im Workshop, sondern ganz entspannt als Hausaufgabe. Ob direkt im Computerprogramm oder ganz klassisch mit Papier und Stift – ganz egal, am nächsten Morgen standen alle Konzepte ordentlich nebeneinander auf dem Board und konnten durch ihre Urheber vorgestellt und konkretisiert werden. Und anders als sonst mit Schere und Klebeband rückten die Organisatorinnen den Konzepten diesmal mit Copy and Paste zu Leibe, sodass am Ende einer intensiven Diskussion eine zwar wild zusammengewürfelte, aber dafür sehr ertragreiche Grundlage für einen ersten Click-Dummy stand.
Remote auch nach Corona?
Eine gemeinsame Feedbackrunde zum Abschluss ergab viele positive Eindrücke und viel Lob für die Moderation – sowie manch geäußerten Wunsch, ob man nicht auch abseits von Corona mehr auf Remote-Formate wie dieses setzen könne. "Besser als erwartet, sehr inspirierend und sehr intensiv"
, "sehr gut moderiert, technisch flüssiger als erwartet
", und "wir kommen nicht schlechter voran, als wenn wir uns alle an einem Ort treffen würden
" – drei repräsentative Kommentare, die belegen, dass sich das Wagnis eines digitalen Workshops ausgezahlt hat.
Auch die interne Nachbesprechung zeigte viel Zufriedenheit mit dem Ablauf und den Ergebnissen, wobei hier sofort der Fokus darauf gelegte wurde, wie man das Gute noch besser machen kann. Noch mehr Interaktion durch Kleingruppen und mehr Feedback, mehr Fokus auf die Nutzer, kürzere und häufigere Pausen und eine Stärkung des zwischenmenschlichen Aspekts durch Fotos oder kurze Videorunden – dies waren nur einige der Verbesserungsideen, die schon im bald anstehenden zweiten Design-Thinking-Workshop des Digitalisierungslabors "Fördermittelrecherche" und möglicherweise auch in zahlreichen anderen Remote-Formaten in der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen ihre Anwendung finden sollen. Das "digitale Digitalisierungslabor" ist in jedem Fall bereits Realität.