So hat sich die Anwendung des Servicestandards entwickelt: Ergebnisse der Nutzerrecherche 2021
Meldung Servicestandard 30.03.2022
Ende 2021 fand erneut eine Nutzerrecherche zum Servicestandard statt. Ergebnis: Der Servicestandard ist noch nicht flächendeckend bekannt. Viele der Befragten kennen den Servicestandard gar nicht oder gaben an, ihn aus Zeit- und Ressourcenmangel nicht anzuwenden. Hier die genauen Ergebnisse und welche Erkenntnisse nun daraus gezogen werden.
Wie bekannt ist der Servicestandard mehr als ein Jahr nach seiner Veröffentlichung? Wie umfassend wird der Servicestandard von den OZG-Beteiligten angewandt? Wie werden die Unterstützungsangebote zum Servicestandard angenommen und in welchen Bereichen existiert noch Verbesserungspotenzial? Antworten auf diese Fragen liefert die Ende 2021 durchgeführte Nutzerrecherche zum Servicestandard und dessen Unterstützungsangeboten.
Konstantes Erfolgsmonitoring durch wiederkehrende Einbindung von Anwendenden
Der Servicestandard wurde am 25. Juni 2020 als Hilfestellung für die OZG-Umsetzung geschaffen und bietet mit seinen 19 Prinzipien einen ganzheitlichen Orientierungsrahmen für die nutzerfreundliche Digitalisierung und Weiterentwicklung von Verwaltungsleistungen. Nach Veröffentlichung wurde im Sinne eines kontinuierlichen und nutzerzentrierten Verbesserungsansatzes bereits Ende 2020 eine erste qualitative Nutzerrecherche durchgeführt, um den damaligen Ist-Zustand der Anwendung zu evaluieren und die Unterstützungsangebote mithilfe von Nutzerfeedback auszubauen.
Neben der fehlenden Bekanntheit des Servicestandards zu diesem Zeitpunkt zeigten die Nutzerinterviews, dass er wenig Anwendung findet. Die Befragten schätzten seinerzeit die Schaffung eines Servicestandards als Argumentationshilfe für Nutzerzentrierung, wünschten sich jedoch auch eine Konkretisierung des Servicestandards, um die Prinzipien in der Praxis besser anwenden zu können. Auf Basis dieses ersten Nutzerfeedbacks wurden 2021 direkt Verbesserungen am OZG-Servicestandard vorgenommen und die Unterstützungsangebote ausgebaut. Der Webauftritt zum Servicestandard bietet seitdem zu jedem der 19 Prinzipien Hilfestellungen, Checklisten und weiterführende Links. Auch das Online-Selbstaudit wurde mithilfe des Feedbacks optimiert. Zudem sind mit dem Servicehandbuch zum Servicestandard sowie einem Erklärvideo neue Unterstützungsangebote geschaffen worden.
Mehr als ein Jahr nach Veröffentlichung des Servicestandards sowie des Ausbaus und der Verbesserung der Unterstützungsangebote im Jahr 2021 wurde im Sinne der nutzerzentrierten Weiterentwicklung eine erneute, diesmal zweistufige Nutzerrecherche im Oktober und November 2021 durchgeführt: eine quantitative Onlineumfrage (N=221, 04.10.-26.11.2021) sowie 8 leitfadenbasierte Nutzerinterviews (02.11.-26.11.2021) mit Verwaltungsmitarbeitenden (6) und IT-Dienstleistern (2).
Ziele der Nutzerrecherche 2021 waren:
- die Evaluierung des Ist-Stands zur Bekanntheit und Anwendung des Servicestandards
- die Ermittlung wahrgenommener Mehrwerte aus Nutzersicht
- die Erhebung von Anforderungen an die Unterstützungsangebote
- sowie die Ursachenforschung zur Nicht Anwendung.
Von den 221 Personen, die sich an der Onlineumfrage beteiligten, war der Großteil auf der kommunalen Verwaltungsebene (47%), 25% auf Bundes- und 22% auf Landesverwaltungsebene tätig. Die Teilnehmenden kamen aus allen Bundesländern (N=154), die meisten davon aus Baden-Württemberg (N=51), Nordrhein-Westfalen (N=25) und Hessen (N=16). Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmenden (43%) sind koordinierend tätig, 39% sind direkt in einem Umsetzungsprojekt zur Digitalisierung einer Verwaltungsleistung tätig. Die meisten Teilnehmenden führen laut Angaben eine Projektleitungsrolle innerhalb einer Behörde (41%) aus. Darüber hinaus befinden sich 86% der Befragten in Projekten, die aktuell noch in der Umsetzung sind.
An den 8 Nutzerinterviews nahmen sechs Männer und zwei Frauen aus den Bereichen Kommunalverwaltung (4), Landesverwaltung (3) und Bundesverwaltung (1) teil. Diese waren überwiegend operativ an der Umsetzung beteiligt (6), 2 Personen in koordinierenden Rollen. Bis auf eine Person kannten alle Interviewteilnehmenden den Servicestandard, 4 Personen wendeten ihn bereits an.
Was sind die Kernergebnisse?
1. Bekanntheit und Anwendung des Servicestandards
Die Umfrage- und Interviewergebnisse zeigen, dass der Servicestandard noch nicht ausreichend und nicht in der Fläche in den Umsetzungsprojekten bekannt ist. Weniger als die Hälfte (41%; N=221) aller Befragten kannten den Servicestandard zum Zeitpunkt der Befragung, besonders hoch war der Anteil der Nicht-Kennerinnen und -kenner unter OZG-Ansprechpersonen in Fachressorts von Bund und Ländern. Die Recherche ergab, dass der Servicestandard eher fachkundigen Personen (z. B. Servicedesignerinnen und -designern, IT-Dienstleistern) bekannt ist.
Kennen Sie den Servicestandard?
Die Interviewten haben einen großen Orientierungsbedarf in der "Informationsflut" zur OZG-Umsetzung und äußerten den Wunsch, öfter über den Servicestandard informiert zu werden. Als zentrale Informationsquellen zum Servicestandard wurden die OZG-Webseite (hier: Servicestandard-Bereich), der OZG-Newsletter sowie die behördeninterne Kommunikation genannt. Personen, die den Servicestandard nicht kennen (N=126), informieren sich vorwiegend über den OZG-Newsletter, die OZG-Webseite und die behördeninterne Kommunikation zum Onlinezugangsgesetz und zur Verwaltungsdigitalisierung.
Von dem Personenkreis, der angab, den Servicestandard zu kennen (N=91), wendet die Mehrheit (59%) ihn bisher nicht in ihren Projekten an. Die höchste Anwendungsquote liegt bei den IT-Dienstleistern, während bei Umfrageteilnehmenden in der Rolle Projektleitung Behörde der Anteil der Nicht-Anwendenden (66%, N=35) überwiegt. Auffällig ist insbesondere die geringe Anwendung in der Planungsphase – weniger als 10% der Befragten, deren Projekt sich in der Planungsphase befindet, gaben an, den Servicestandard anzuwenden.
Die Mehrheit (51%, N=37) der Anwendenden stimmte der Aussage zu, den Servicestandard als grobe Orientierung zu nutzen, 41% der Anwendenden messten dem Servicestandard im eigenen Projekt eine hohe Priorität bei. Das bestätigen auch die Nutzerinterviews: Der Servicestandard wird als grober Orientierungsrahmen und Checkliste verstanden, der jedoch weiter für die Anwendung konkretisiert werden sollte. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Servicestandard von vielen Personen eher oberflächlich, pragmatisch und nicht vollständig angewendet wird. Ein Teil der Interviewten gab auch an, dass sie sich durch den Servicestandard im eigenen Projektvorgehen bestätigt fühlen. Die Einhaltung des Servicestandards wird in den Projekten jedoch bisher kaum überprüft. Sowohl Umfrageteilnehmende als auch Interviewpersonen teilten mit, dass sie den Servicestandard zukünftig bei mehr Projekten berücksichtigen möchten. Als wesentliche Voraussetzungen für die Anwendung sehen sie den erforderlichen Kompetenzaufbau zum Servicestandard und die Verfügbarkeit ausreichender personeller und zeitlicher Ressourcen, vor allem auf kommunaler Ebene.
2. Mehrwerte aus Nutzersicht
In den Nutzerinterviews wurde deutlich, dass der Servicestandard neue, nutzerfreundliche Perspektiven in die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen bringt. Er bietet den Teams Sicherheit, wird als Instrument zur Qualitätssicherung gesehen und schafft eine gemeinsame Arbeitsgrundlage. Der Servicestandard wird auch als Argumentationshilfe für mehr Nutzerfreundlichkeit eingesetzt, z. B. von IT-Dienstleistern.
Das Thema Verbindlichkeit wird von den Interviewten unterschiedlich bewertet. Die Befragten gaben an, dass der Empfehlungscharakter des Servicestandards und die nicht verbindlich geforderte Anwendung durchaus Vor- und Nachteile hat. Es wird eher als hilfreich angesehen, wenn durch Konkretisierungen der Servicestandardprinzipien die bisherigen Unterstützungsangebote verbessert und ggf. neue geschaffen werden.
Fast drei Viertel (73%; N= 37) der anwendenden Befragten gaben an, den Servicestandard erneut anwenden zu wollen. Die Mehrheit der Befragten, die sich gegen eine erneute Anwendung aussprechen, sehen den Mangel an Zeit als relevanten Faktor.
3. Herausforderungen bei der Anwendung und Gründe für die Nicht- Anwendung
Einer der häufigsten genannten Gründe für die Nicht-Anwendung des Servicestandards ist Zeitmangel (43%; N=54). Von den Befragten gaben 63% an, dass sie planen den Servicestandard "später anzuwenden". Auch meldeten 17%, den Servicestandard nicht anzuwenden, da ein anderes Vorgehensmodell genutzt wird. Die Nicht-Anwendenden nutzen den Servicestandard dennoch als eine grobe Orientierung (46%).
Die Ursachen für die Nicht-Anwendung sind laut Interviews auf fehlende Kompetenzen zur Anwendung des Servicestandards, das Spannungsfeld zwischen schneller Umsetzung und Nutzerfreundlichkeit bis Ende 2022 sowie fehlende Ressourcen und Zeitmangel, insbesondere auf kommunaler Ebene, zurückzuführen. Als Herausforderung wird angegeben, dass Nutzerzentrierung an rechtliche und technische Grenzen stößt, nicht ausreichend priorisiert wird und Überzeugungsarbeit in den Behörden erfordert. Auch wurde in der Recherche deutlich, dass die fehlende Digitalisierung behördeninterner Prozesse die Servicestandard-Anwendung beeinträchtigt. Zusätzlich geben die Interviewten an, dass technische Lösungen und konkrete Tools für die Umsetzung der Servicestandardprinzipien fehlen. Kommunen fühlen sich als nachnutzende Behörden teils nicht zuständig für Aspekte des Servicestandards und sehen eher Länder und die Bundesverwaltung in der Pflicht zur Anwendung des Servicestandards, z. B. für "Einer für Alle"-Prinzip (EfA)-Services.
4. Evaluierung und Erwartungen an Unterstützungsangebote, Austausch und Qualifizierung
Positives Feedback lieferte die Nutzerrecherche in Bezug auf den Webauftritt des Servicestandards – dieser wurde als sehr hilfreich für einen ersten Überblick sowie die konkrete Umsetzung angesehen. Auch der Selbstaudit und das Servicehandbuch werden unter den anwendenden Befragten überwiegend als nützlich angesehen, sind jedoch insgesamt deutlich weniger bekannt.
Die Nutzenden wünschten sich eine intensivere Unterstützung beim Aufbau von Know-how zum Beispiel durch Online-Schulungen sowie eine Konkretisierung des Servicestandards für die Anwendung durch Anleitungen, Vorlagen, weitere Tools und technische Lösungen. Zusätzlich hierzu muss die Bekanntheit existierender Unterstützungsangebote deutlich gesteigert werden. Wichtig ist den interviewten Personen ein gezielter Austausch zu Best Practices und gelungenen Projektbeispielen für die praktische Anwendung.
Ausblick 2022: Wie geht es weiter mit dem Servicestandard?
Die Ergebnisse der Nutzerrecherche liefern wertvolle Impulse für die Optimierung und Weiterentwicklung des Servicestandards sowie der Unterstützungsangebote. Dabei stehen insbesondere die weitere Bekanntmachung sowie die Förderung der Anwendung in der Praxis im Vordergrund, wozu die weitere Konkretisierung das Sichtbarmachen erfolgreicher Anwendungsbeispiele und der praxisbezogene Austausch rund um die Anwendung des Servicestandards zählt. Nur so kann der Servicestandard langfristig als Instrument zur Qualitätssicherung digitaler Verwaltungsdienstleistungen seine Wirkung entfalten.