Grundsätzliche Anforderungen an die EU-Mitgliedstaaten
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Mit der EU-Verordnung 2018/1724 (SDG-VO) zum Single Digital Gateway (SDG) soll der Zugang zu Informationen, Verfahren und Unterstützungsdiensten (ehemals Hilfs- und Problemlösungsdienste) der öffentlichen Verwaltungen der EU-Mitgliedstaaten für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen erleichtert werden. Hierzu wird ein einheitliches digitales europäisches Zugangstor zu den Online-Angeboten der öffentlichen Verwaltungen der EU-Mitgliedstaaten geschaffen. Um das SDG zu verwirklichen, wird das bestehende Informationsportal „Your Europe“ erweitert, modernisiert und mit den Portalen der EU-Mitgliedstaaten – in Deutschland mit dem Verwaltungsportal des Bundes (PVOG) – verlinkt. Die Umsetzung der EU-Anforderungen aus der SDG-VO ist Bestandteil der Umsetzung des OZG und Teil des Projektes „Gesamtsteuerung Registermodernisierung“.
Die SDG-VO richtet an die EU-Mitgliedstaaten die grundsätzliche Anforderung, dass die von ihnen online bereitgestellten Verwaltungsverfahren (Artikel 13) und Unterstützungsdienste (Artikel 16) zugleich auch EU-weit grenzüberschreitend diskriminierungsfrei zugänglich und abwickelbar sein müssen. Im Grundsatz gilt dabei, dass EU grenzüberschreitende Nutzer immer dann in der Lage sein müssen, ein SDG-relevantes Verwaltungsverfahren online aufzurufen und abzuwickeln, wenn nationale Staatsbürger das Verfahren online aufrufen und abwickeln können. Dabei kann entweder dieselbe technische Lösung oder eine alternative, technisch getrennte Lösung, die zum selben Ergebnis führt, eingesetzt werden. Sie verweist bezüglich EU-grenzüberschreitender online Identifizierung auf die eIDAS Verordnung Nr. (EU) 910/2014 und bezüglich Barrierefreiheit auf die Richtlinie (EU) 2016/2102 sowie auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2a der SDG-VO verpflichtet allgemeine Informationen über geltende Rechte, Pflichten und Vorschriften in den Anhang I benannten Informationsbereichen bereitzustellen.
Im Einzelnen lassen sich die Anforderungen der SDG-VO wie folgt zusammenfassen:
A) Zugang zu mehrsprachigen Informationen (Deutsch/Englisch), die möglichst vor Einleitung des Verfahrens bereitgestellt werden
- Allgemeingültige Rechte und Pflichten gemäß Anhang I der SDG-VO und ihrer Spezifika in Deutschland
- Leistungsbeschreibungen zu On- und Offline-Verfahren (Bereitstellung möglichst vor Einleitung des Verfahrens)
- Informationen über Unterstützungsdienste (ehem. Hilfs- und Problemlösungsdienste) als solche sowie zu deren Verfahren
Quelle dieser Informationen ist der PVOG. Die Bereitstellung der Informationen im Your Europe-Portal erfolgt auf Basis dieser Quelle über das Verwaltungsportal des Bundes.
B) Einbindung weiterer Links zu Instrumenten der Europäischen Kommission
Auf den mit dem Your Europe-Portal verbundenen Webseiten mit Informationen über Rechte und Pflichten sowie über Online- und Offline-Verfahren sind zusätzlich Links zu integrieren, zu
- Dem Single Market Obstacles-Tool (SMO), mithilfe dessen Nutzerinnen und Nutzer Hindernisse melden können, auf die sie bei der Ausübung ihrer Binnenmarktrechte stoßen.
- Dem Assistance Service Finder (ASF), einer geführten Suchmaschine für die Unterstützungsdienste im Kontext des SDG.
C) Diskriminierungsfreie Datenfelder
- Datenfelder von Online-Verfahren müssen so programmiert sein, dass sie Eingaben von beispielsweise Telefonnummern, Anschriften, Postleitzahlen, Firmenbezeichnungen anderer EU-Mitgliedstaaten ermöglichen.
- Die EU-Kommission empfiehlt die Nutzung der UTF-8 Kodierung. Diese ist auch gegenüber dem spezifischeren Standard ISO-8859 vorzuziehen.
D) Barrierefreiheit von Online-Angeboten (Web Accessibility)
- Die SDG-VO verweist auf die Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates. Entsprechend dieser EU-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Websites ihrer öffentlichen Stellen gemäß den Grundsätzen der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit zugänglich sind und den in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen genügen.
- Die SDG-VO verweist ergänzend auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen zu gewährleisten, indem der Zugang zu Informationen durch Personen mit geistigen Behinderungen dadurch erleichtert wird, dass Alternativen in leicht lesbarer Sprache möglichst weit gehend und proportional zur Verfügung gestellt werden.
E) Flächendeckende Bereitstellung einer EU-weit gängigen Online-Zahlungsmethode (ePayment)
- Wenn zur Abwicklung eines Online-Verfahrens eine Zahlung erforderlich ist, müssen Nutzer alle Gebühren online „über weithin verfügbare grenzüberschreitende Zahlungsdienste ohne Diskriminierung aufgrund des Niederlassungsortes des Zahlungsdienstleisters oder des Zahlungskontos in der Union“ bezahlen können.
- Die gemeinsam von Bund und einigen Bundesländern entwickelte Zahlungsplattform ePayBL stellt zahlreiche EU-weit gängige Zahlungsmethoden zur Verfügung und erfüllt somit die SDG-Vorgabe.
- ePayBL ist eine verbindliche Basiskomponente im Rahmen der IT-Konsolidierung Bund.
F) EU-weite Identifizierung und Authentifizierung gemäß eIDAs-VO (EU) Nr. 910/2014
- Die SDG-VO sieht vor, dass sich EU grenzüberschreitende Nutzerinnen und Nutzer gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 elektronisch ausweisen und authentifizieren, Unterlagen unterzeichnen oder mit einem Siegel versehen können.
- Das Nutzerkonto Bund entspricht den Vorgaben der eIDAS-Verordnung.
G) Erhebung von Feedback zu SDG-relevanten Informationen und Verfahren
Die SDG-VO möchte den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit geben, unmittelbar nach Nutzung der mit dem Your Europe-Portal verlinkten Informationen, Verfahren und Unterstützungsdienste anonym zu deren Qualität und Verfügbarkeit Stellung zu nehmen. Daraus ergeben sich ergänzend Anforderungen an Online-Verfahren.
Hinweis: In Deutschland wird die Nationale Feedback-Komponente (kurz NFK) verwendet, um Feedback SDG-konform zu erheben und an die EU-Kommission zu senden. Die NFK basiert auf der 115-Supportkomponente. Die zuständigen Behörden sind nicht verpflichtet, das seitens der EU-Kommission bereitgestellte Nutzerfeedbackinstrument einzubinden.
H) Erhebung von Statistiken über die Aufrufe der mit dem Zugangstor verknüpften Internetseiten durch die Nutzer – unter Wahrung deren Anonymität – um die Funktionsweise des Zugangstors zu verbessern
Die zuständigen Behörden erheben für über das Zugangstor erreichbare Informationen über Rechte und Pflichten, On- und Offline-Verfahren sowie Unterstützungsdienste die Anzahl der Seitenaufrufe aufgeschlüsselt nach
- den Ländern, aus denen die Nutzer die Internetseite besuchen sowie
- der Art der Geräte, die für den Besuch der Internetseite verwendet werden.
Die Unterstützungsdienste erheben zu ihren Leistungen Statistiken in aggregierter Form über
- die Anzahl,
- die Art der Nutzer (Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen),
- die Situation der Nutzer (grenzüberschreitende oder nationale),
- den Gegenstand von Anfragen nach Unterstützungsdiensten sowie
- deren Antwortzeiten
und tauschen sie aus.
Die Daten werden der Öffentlichkeit in einem offenen und weithin verwendeten maschinenlesbaren Format zur Verfügung gestellt.
I) Einbindung des Your Europe Logos in die nationalen Websites
Das Your Europe Logo ist ein Qualitätssiegel, das auf eine vertrauenswürdige Informationsquelle hinweist. Es soll nur auf den Webseiten der Mitgliedstaaten verwendet werden, die Teil des einheitlichen digitalen Zugangstors (SDG) sind. Das Your Europe Logo zeigt, dass die Website die Qualitätsanforderungen des SDG bzw. der SDG-VO erfüllt und darf erst nach der Anbindung der jeweiligen Website in das SDG-Netzwerk eingebunden werden.
Neben den dargestellten Anforderungen an Verfahren macht die SDG-VO weitere Vorgaben für eine Gruppe besonders häufig genutzter Schlüsselverfahren. Diese im Artikel 6 und Anhang II der SDG-VO benannten Verfahren müssen bis Dezember 2023 an das sogenannte Once-Only-Technical-System angeschlossen werden, mit dessen Hilfe der Austausch von Nachweisen automatisiert europaweit grenzüberschreitend zwischen Behörden erfolgen soll. Für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen erübrigt sich dann das mehrfache Bereitstellen von Nachweisen, sofern sie einer Übermittlung des jeweiligen Nachweises zustimmen.