"Dieselbe Sprache sprechen" – semantische Interoperabilität als Schlüssel für effiziente Verwaltung und Once-Only-Prinzip
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Was ist semantische Interoperabilität und wie unterstützt diese das Once-Only-Prinzip? Semantische Interoperabilität unterstützt durch die einheitliche Verwendung von Begriffen die Strukturierung und Harmonisierung von Daten(-strukturen). Sie ist Grundlage für den reibungslosen Datenaustausch zwischen den Behörden und damit die Basis für eine effiziente digitale Verwaltung.
Hintergrund
Zentrales Element einer nutzerorientierten, effizienten und digital souveränen Verwaltung ist das Once-Only-Prinzip, nach dem Bürgerinnen und Bürger ihre Daten nur ein einziges Mal angeben müssen. Dies verpflichtet die Verwaltung, bereits vorhandene Daten zu nutzen, anstatt sie jedes Mal neu abzufragen. In Verwaltungsregistern sind bereits viele Daten vorhanden, deren Nutzbarmachung ist jedoch komplexer als gedacht.
Denn im Laufe der Zeit haben sich in den verschiedenen Verfahren für einzelne Verwaltungsleistungen Rechtsbegriffe etabliert, die außerhalb der eigenen Verfahrensgrenzen eine andere Bedeutung haben. Insbesondere komplexe Rechtsbegriffe wie “Einkommen“ oder “Wohnung“ werden in verschiedenen Gesetzen nicht einheitlich verwendet. Wird in einem Datenfeld “Einkommen“ gefunden, bleibt aufgrund der circa 220 verschiedenen Begriffsdefinitionen fraglich, ob dessen Inhalt dem gesuchten “Einkommen“ entspricht und damit nach dem Once-Only-Prinzip automatisiert ausgetauscht werden kann.
Quelle: BMI
Diese Mehrdeutigkeit ist ein großes Hindernis für den verfahrens- und behördenübergreifenden Datenaustausch und damit auch für die Digitalisierung: Nur wenn Gleiches gleich und Ungleiches ungleich bezeichnet wird, können Missverständnisse vermieden, Prozesse optimiert und automatisiert werden. Eine konsequente gesetzliche Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen wird jedoch aufgrund des legislativen Aufwands überwiegend abgelehnt. Hier setzt die semantische Interoperabilität (SIO) an.
Was ist semantische Interoperabilität?
Anstelle einer konsequenten gesetzlichen Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen setzt die semantische Interoperabilität darauf, dass Fachverfahren hinsichtlich der Datenfelder und der Bedeutung von Informationen “dieselbe Sprache sprechen“. Dies kann durch eine Strukturierung, Harmonisierung bis hin zu einer partiellen Vereinheitlichung uneinheitlicher Rechtsbegriffe erreicht werden.
Semantische Interoperabilität ist für die Umsetzung des Once-Only-Prinzips essenziell. Auch für den internationalen Datenaustausch wie beispielsweise bei der Umsetzung der Single-Digital-Gateway (SDG)-Verordnung ist semantische Interoperabilität erforderlich, wenn die aus dem Ausland gelieferten Dateninhalte den Bedürfnissen der Datenempfänger in Deutschland entsprechen sollen. Sie stellt die Verbindung zwischen den materiell-rechtlich erforderlichen und den vorhandenen Daten her und macht damit die Daten aus den Registern überhaupt erst nachnutzbar.
Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen
Für den Umgang mit uneinheitlich verwendeten Rechtsbegriffen werden diese in ihre eindeutig semantisch-definitorische Einheit zerlegt. Dabei soll jeder Bestandteil immer nur in einer Bedeutung verwendet werden. Auf diese Weise entsteht ein Baukastensystem von Rechtsbegriffen, dessen einzelne Teile beziehungsweise Module flexibel kombiniert werden können. Diese eindeutigen und trennscharfen modularen Rechtsbegriffe werden in einem sogenannten Rechtsbegriffsglossar festgehalten.
Dabei ist die Strukturierung per se noch nicht mit einer Harmonisierung gleichzusetzen, sondern zeigt zunächst nur semantische Unterschiede auf - ob und welche Begriffe dann auch harmonisiert werden sollen, ist Aufgabe des Gesetzgebers.
GovLabDE "Semantische Interoperabilität von Rechtsbegriffen"
Im Zeitraum von August bis Dezember 2023 wurde das ressortübergreifende und interdisziplinäre GovLabDE-Vorhaben “Semantische Interoperabilität“ in Kooperation zwischen dem BMF und dem BMI initiiert und durchgeführt. In verschiedenen Veranstaltungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Bundes- und Landesverwaltungen sowie mit Standardisierungsakteuren und Forschungseinrichtungen wurde ein Bewusstsein für die Bedeutung der SIO-Thematik geschaffen. Gleichzeitig wurde ein proaktiver Austausch initiiert, um Anwendungsfälle innerhalb des Beteiligtenkreises zu identifizieren. Daraus wurden strategische und umsetzungsbezogene Handlungsempfehlungen sowohl aus legistischer als auch aus vollzugsorientierter Sicht abgeleitet.
Nächste Schritte: Rückspiegelung bei der Erstellung von Gesetzestexten
Ziel ist es, bei der Erstellung eines Gesetzes auf bereits vorhandene Definitionen bestehender Rechtsbegriffe einschließlich deren Datenverfügbarkeit zurückgreifen zu können. Dadurch werden unnötige Neudefinitionen vermieden und durch die Nutzung etablierter Datensätze die Abfragen an die Bürgerinnen und Bürger auf ein Minimum reduziert. Dies erhöht nicht nur die allgemeine Zufriedenheit, sondern auch die Umsetzungsgeschwindigkeit nach Verabschiedung des jeweiligen Gesetzes, was wiederum zu Einsparungen bei den Umsetzungskosten führt.